The Circus-Circus is what the whole hep world would be
doing on Saturday night if the Nazis had won the war. This is the Sixth
Reich.
Hunter S. Thompson
Badenberg: Our currency is violence and we‘d like to pay!
Sebastian Badenberg comes from Wuppertal. Friedrich Engels’ native city has a long anti-fascist tradition. Badenberg is proud to bear the city arms of Wuppertal as a tattoo on his right hand calf. He likes fried eggs with bacon, spends the nights in bars and likes to beat Nazis together with his younger brother Fabian. Their motto: No one likes us. We don’t care. Sebastian Badenberg wears black, reads Bukowski and Burroughs and listens to Psychobilly music. He is publishing in different punk magazines in Germany and lost his heart to a cute Hippiegirl called Hanna. The track „Our currency is violence and we‘d like to pay!“ is an excerpt from his first CD „Welcome to my Circus-Circus!”, read by the actor and womaniser Olaf Reitz. The track describes Badenberg’s long lost youth. First love, first Punkrock concert, first row with Nazis. His conclusion: Things change. The hatred towards Nazis will always persist. More about Sebastian Badenberg in the net: www.sebastianbadenberg.de.
Ich weiß, meine Texte, die ändern nicht viel
Ich
bin nur ein Mädchen, das sagt was es fühlt
Allein bin ich hilflos, ein Vogel
im Wind
Der spürt daß der Sturm beginnt
„Ein bisschen Frieden“/ frei
nach Nicole
Gewalt ist unsere Währung, und wir würden gerne zahlen
Ich wache auf. Mitten in der Nacht. Durst. Ich schleppe
mich zum Kühlschrank und greife nach einer Flasche Wasser. Wieviel Uhr ist es
wohl? 3 Uhr? 4 Uhr? Völlig egal. Es ist eine Nacht im September 2004. Eine Nacht
von Sonntag auf Montag. Eine besondere Nacht. Aber dazu kommen wir später. Ich
taumle schlaftrunkend zum Fenster. Trinke gierig. Reibe mir die Augen und starre
auf die Straße. Das bleiche Mondlicht läßt den feuchten Asphalt vor meiner
Wohnung schwarzweiß schimmern. Ich denke über mein Leben nach. Schule, Arbeit,
Tod? Werde plötzlich melancholisch. Wochenanfangs Blues. Nächstes Jahr werde ich
schon dreißig. Ich bin alt. Uralt. In wenigen Jahren wird mein Zivi mich mit dem
Rollstuhl zum Pogokreis fahren müssen. Freue mich jetzt schon darauf, kleine
Punker mit dem Gehstock zu vermöbeln. Live fast – die später. Sex Pistols hin
oder her. Sid Vicious war ein Junkie, eine Marionette und in erster Linie ein
Idiot. Geneigter Leser! Geniesse diesen Satz! Laß Dir meine Aussagen auf der
Zunge Deines Hirns zergehen. Wir leben in gefährlichen Zeiten. Es könnte Dein
letzter Satz sein. Quatsch! Wenn Du immer noch weiter lesen kannst, ist Dein
Leben wohl nicht so gefährlich. Wahrscheinlich bist Du – wie ich - „etabliert“.
Nur noch die Buttons auf unseren Jacken zeugen von unserer „wilden“ Jugend. Ich
habe plötzlich eine Laune wie Dresden 1945. Ziehe weiter an meinem Lebensfazit.
Was hab ich erreicht? Was ist aus meinen Idealen geworden? Wer bin ich? Ich
werfe einen Blick zurück. Mit 15 Jahren habe ich mir zum ersten Mal die Haare
gefärbt. Rot. Meine Mutter hat einen Anfall bekommen. Mit 16 habe ich die
Ramones zum ersten Mal live gesehen, zum ersten Mal einen geblasen bekommen und
zum ersten Mal tierisch eins auf die Fresse gekriegt. Ein gutes Jahr. Punkrock
pur. So schnell wie mit 16 lebt man nie wieder. Es geht einfach nicht. Moment?
Was denke ich da eigentlich für einen Altmännerscheiß? Ich sollte die Finger von
der Kombination Poppers und Gin-Tonic lassen. Ich kratze mir am Sack. Starre
weiter auf die Straße. Vor wenigen Tagen ist Johnny Ramone gestorben. Joey und
DeeDee sind ja schon vorangegangen. Die Helden meiner Jugend. Ich werde dieses
erste Konzert niemals vergessen. Köln. Damals für einen kleinen Punk aus
Ennepetal eine Weltreise. Die dunkle Halle, die Typen mit den Lederjacken, der
weiße Nebel über der Bühne. One, two, three, four. Alles war sehr lässig. Ich
gestehe: Meine Gehörgänge wurden von Johnny´s Gitarre entjungfert. Darauf bin
ich heute noch stolz.
Auch meinen ersten Blowjob werde ich nie vergessen. Ich
bin nach – optimistisch geschätzt – einer Minute gekommen. Ich war so glücklich.
So verdammt glücklich. Wie hieß das Mädchen noch? Endlich war ich ein richtiger
Mann. Drogen, Tattoos, Seefahrt, Knast. Was würde als nächstes kommen? Ich war
so gespannt. Wollte das Leben völlig in mir aufsaugen. Ein paar Wochen später
gab es dann erstmal ordentlich eins auf den Kopf. Ein lokaler Dorffascho schlug
mich vom Bahnhof direkt bis ins örtliche Krankenhaus. Am nächsten Tag zeigte ich
meinen Kumpels stolz meine gebrochene Nase. Die nächsten Jahre bin ich nie
wieder angstfrei durch den Bahnhof gegangen. Angst essen Punker auf. Hach, die
Jugend! Gut, dass sie vorbei ist. Ich werde optmistischer. Stehe immer noch am
Fenster. Klar, ich bin älter geworden. Spießiger? Ja! Auch klar. Bleibt wohl
nicht aus. Irgenwann war es einfach nicht mehr cool, mit Dosenbier in der Hand
in kalten Hauseingängen zu sitzen und in schimmligen Wohnungen zwischen
Pizzapackungen und Erbrochenem zu pennen. Die Ramones habe ich noch ein paar Mal
gesehen. War immer gut, aber nie wieder so gut wie beim ersten Mal. Trotzdem
stellen sich heute noch meine Nackenhaare auf wenn ich „Blitzkrieg Bob“ höre.
Die Sache mit den Mädchen habe ich auch in den Griff bekommen. Meistens
jedenfalls. Wie sie heißen vergesse ich aber immer noch. Den Fascho habe ich ein
paar Jahre später nochmal getroffen. Wieder am Bahnhof. Ich war inzwischen
größer geworden, hatte eine Glatze und zusammen mit meinem Bruder ein paar
Kneipen zerlegt. Übung macht den Meister. Punk war immer noch im Herzen. Sein
Pech. Ich stand eh noch nie auf dieses hippiemässige Gelaber von vergeben und
vergessen. Deshalb habe ich ihm auch einfach stumpf ein paar Zähne
ausgeschlagen. Rock´n Roll. Ein gutes Gefühl. Aber diese Zeit ist vorbei.
Endgültig. Werte haben sich verschoben, Dinge geändert. Die Ramones sind fast
alle tot, wilder Sex ist was für Studenten und Schlägereien was für halbstarke
Jugendliche. Es ist keine gewöhnliche Nacht. Während ich hier stehe und ein
total sinnentleertes und bescheuertes Fazit ziehe, feiern die braunen Horden in
Brandenburg und Sachsen ihren Wahlsieg. Gestern war Landtagswahl. In Brandenburg
hat die DVU 6,1 Prozent geholt. Die NPD kam in Sachsen auf 9,2 Prozent. Scheiß
Nazipack! Ich muß schmunzeln. Trotz des Schreckens über die Erfolge der Nazis
hatte diese Wahl auch etwas Gutes. Ich merke, dass sich nicht alles ändert im
Leben. Vielleicht wird es eines (fernen) Tages so weit kommen, dass ich nicht
mehr regelmäßig auf Punkkonzerte gehe. Irgendwann ist man einfach zu alt zum
pogen. Die Knochen heilen halt nicht mehr so schnell. Vielleicht reicht es mir
dann am Rande der Konzerthalle zu stehen und von alten Zeiten zu schwadronieren.
Vielleicht reicht es mir auch irgendwann meine Freundin einfach nur im Arm zu
halten. Vielleicht kann ich mir auch irgenwann ihren Namen merken. Vielleicht
verkaufe ich meine Pornosammlung und ziehe in eine Eigentumswohnung am
Stadtrand? Vielleicht? Sicher ist: Es wird sich auch in den nächsten Jahren viel
ändern. So ist das Leben halt. Nicht nur bei Punkrockern. Aber eins wird immer
so bleiben wie früher. Immer. Ich hasse dieses verdammte Nazigesocks. Ich gehe
jetzt direkt mal in den Keller und entstaubte meinen guten alten Louisville
Slugger. Vielleicht mache ich auch vorsichthalber ein paar Schlagübungen an der
Kellerwand. Scheißegal was die verdammten Nachbarn denken.
Sebastian Badenberg
P.S: Die Überschrift habe ich von Rocko Schamoni geklaut.